„Alte“ und „neue Toleranz“ in Jenbach

Zur Geschichte des Hotel Toleranz in Jenbach

Im Jahre 1781 erließ der aufgeklärte Kaiser Josef II, Sohn und Nachfolger Maria Theresias und Gründer des modernen Staatswesens, das Toleranzpatent, das die Gleichstellung von Protestanten, Katholiken und Juden im Habsburgerreich garantierte.

In Tirol wurde dieses Gesetz aber erst rund 100 Jahre später tatsächlich umgesetzt. Einer der Kämpfer für die Verwirklichung des Toleranzpatents in Tirol war der liberalgesinnte Jenbacher Arzt, Erfinder (Malzkaffee, Trockenfotografie) und Brauereibesitzer Dr. Norbert Pfretzschner.

Als er sich um der Politik zuwandte und Landtags- sowie Reichstagsabgeordneter wurde machte er seinen ganzen Einfluss geltend, um diesem Gesetz in Tirol zum Durchbuch zu verhelfen. Da Pfretzschner auch Mitglied des Jenbacher Gemeinderats war herrschte dort zeitweise „Kulturkampfstimmung“. 1837 kam es zum traurigen Höhepunkt, die sog. „Zillerthaler Inclinanten“ mussten auf Grund Ihres evangelischen AB Glaubens Ihre Heimat („mit Sack und Pack“) verlassen und wurden nach Schlesien im heutigen Polen umgesiedelt. Auf Ihrer bitteren Ausreise erhielten Sie erste Verpflegung und letzte Unterkunft in der Heimat im Vorläufer des Gasthofs „Toleranz“ in Jenbach.

1858 wurde die Eisenbahnlinie (Westbahnstrecke) eröffnet. Einem allgemeinen Bedürfnis Rechnung tragend kam es 1862 zum Bau einer Bahnhofsrestauration, die etwa 400 westlich des heutigen Standorts errichtet wurde. Unter dem Ärger Andersdenkender erhielt dieser Betrieb den Namen „Toleranz“. Der Achentaler Franz II Prantl, dessen Vater bereits die „alte Toleranz“ gekauft hatte, eröffnete dann 1890 am heutigen Standort das Hotel-Restaurant „Toleranz“ („Neue Toleranz“) im Profanbautenstil der Westbahn.

Der Gastbetrieb in der „alten Toleranz“ musste im zweiten Weltkrieg aufgelassen werden, der Betrieb wurde den kriegswichtigen Jenbacher Werken (Heinkel Werken) zugeschlagen.

Die „neue Toleranz“ entwickelte sich rasch zu einem Mittelpunkt des kulturellen Lebens des Tiroler Unterinntals. Zahlreiche Reiseliteraten priesen die Vorzüge des Hauses. Franz II Prantl war aber nicht nur Hotelier und Gastwirt sondern als vorausschauender Mann auch Gründer der Raiffeisenkasse Jenbach, Erbauer einer der ersten elektrischen Lichtanlagen Tirols und Pionier des Fremdenverkehrs im Raum Jenbach-Achental-Zillertal. Um das Zillertal verkehrstechnisch zu erschließen gründete er die Zillertalbahn und trug dafür Sorge, dass diese von Jenbach aus ins Zillertal fuhr.

Sein Sohn Richard Prantl erwarb sich große touristische Verdienste. Er war unter anderem Gründungsmitglied der Tiroler Gastwirtejugend, langjähriger Präsident des Automobilclub Tirol und Präsident der Tiroler Fleckviehzüchter sowie Mitbegründer des ältesten Golfclubs Tirols in Pertisau am Achensee (Golf-& Landclub).

Frau Maria Prantl renovierte das Hotel-Restaurant Toleranz und baute unter anderem modernste Gästezimmer und Seminar- sowie Festräume. Das Hotel- & Restaurant mitsamt zweier Filialbetriebe wurde bis 1997 aktiv geführt.

in Bearbeitung, Fassung: 21.10.2021